Der Hamas-Terror, der Gaza-Krieg und der Nahost-Konflikt: 50 Handlungsempfehlungen für Lehrer*innen

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1. Ich akzeptiere Möglichkeiten und Leerstellen des Unterrichts

  • Ich stelle mich der Situation und schweige nicht über den Hamas-Terror, den Gaza-Krieg und den Nahost-Konflikt.
  • Ich habe nicht den Anspruch, in einer Unterrichtsstunde den Hamas-Terror, den Gaza-Krieg und den Nahost-Konflikt erklären zu wollen.
  • Ich bereite mich emotional auf den Unterricht vor. Ich rede mit meinen Schüler*innen über meine und ihre Gefühle. Ich halte es aus, wenn jüdische und muslimische Schüler*innen über Leid, Trauer, Vertreibung und Tod sprechen.
  • Ich versuche meine Schüler*innen anzuregen, Fragen zum Hamas-Terror, zum Gaza-Krieg und zum Nahost-Konflikt zu stellen, die ich im Nachgang (mit einer gewissen Vorbereitungszeit) versuche zu beantworten.
  • Ich gebe zu, wenn ich Sachverhalte (noch) nicht erklären kann.
  • Ich bereite mich fachlich auf den Unterricht vor. Ich nehme mir die Zeit, um die Vielschichtigkeit dieses Komplexes zu durchdringen. Dafür lese ich Bücher, nehme an Vorträgen und Workshops teil.
  • Ich nutze u.a. Bildungsmaterialien von Ufuq.de, der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIGA) oder von Amina Nolte und Sophia Müller (https://www.israelpalaestinavideos.org/assets/downloads/materials/220811-ipv-paedagogisches-begleitmaterial.pdf), um Antworten auf die Fragen meiner Schüler*innen zu finden. Ich bin mir aber bewusst, dass ich einige Dinge nicht erklären kann.

2. Ich nutze schulische und außerschulische Unterstützungsangebote

  • Ich fordere Hilfe von meiner Schulleitung und von meinen Kolleg*innen ein, damit ich in meinen Bemühungen nicht alleine gelassen werde, den Hamas-Terror, den Gaza-Krieg und den gesamten Nahost-Konflikt zu thematisieren. Ich als Teil meiner Fachkonferenzen überlege gemeinsam mit meinen Kolleg*innen, wie wir uns diesem Themenkomplex aus fachlicher und überfachlicher Perspektive nähern können.
  • Ich als Teil der Schulgemeinde rege an, dass wir eine Projektwoche zu diesem Themenkomplex durchführen. Für diesen Tag laden wir externe Referent*innen ein, z.B. vom Forum ziviler Friedensdienst (https://www.forumzfd.de/de)
  • Ich setze mich dafür ein, dass bei zukünftigen Pädagogischen Tagen Referent*innen eingeladen werden, die sich mit Demokratiebildung und Menschenfeindlichkeit beschäftigen, um von diesen Menschen zu lernen.
  • Ich kooperiere mit außerschulischen Partner*innen z.B. Meet a Jew (Zentralrat der Juden in Deutschland), Trialog von Shai Hoffmann und Jouanna Hassoun, schulpsychologischer Dienst und Systemberatung Extremismusprävention (Systex).
  • Ich führe regelmäßig kollegiale Fallberatungen mit meinen Kolleg*innen durch und melde mich für Supervision an, weil ich anerkenne, dass ich die Probleme meines Arbeitsalltags nicht alleine bewältigen kann.
  • Ich setze mich dafür ein, dass multiprofessionelle Teams an unserer Schule Wirklichkeit werden und ich arbeite daran mit, dass ein Konzept der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Professionen entwickelt wird.

3. Ich nehme die Multiperspektivität des Nahost-Konflikts ernst

4. Ich stelle menschliche Schicksale vor, anstatt Opferzahlen zu präsentieren

  • Ich befördere die Empathiefähigkeit meiner Schüler*innen, indem ich die individuellen Schicksale auf israelischer und palästinensischer Seite beleuchte, damit die Schüler*innen die menschlichen Schicksale hinter der großen Zahl der Getöteten
    kennenlernen.
  • Ich thematisiere im Unterricht die Einzelschicksale beider Seiten. Ich gehe u.a, auf die Ermordung des palästinensischen Rettungssanitäters Awad Darawshe ein, der auf dem Supernova-Festival, welches am 7.10. von den Hamas-Terroristen angegriffen wurde, Dienst tat und durch die Terroristen umgebracht wurde. Ich thematisiere das Schicksal
    von Shachar, Shlomi und Rotem Mathias, um die Grausamkeit des Terrors des 7.10. behandeln zu können. (https://www.zdf.de/politik/auslandsjournal/doku-rueckkehr-nach-israel-100.html)
  • Ich thematisiere das Leid der palästinensischen Bevölkerung im Rahmen des Gaza-Kriegs und zugleich informiere ich meine Schüler*innen über die Arbeit der Initiative „Bring Them Home Now“, die sich dafür einsetzt, dass die israelischen Geiseln, die von der Hamas nach Gaza entführt wurden, freigelassen werden.

5. Ich stelle Initiativen vor, die sich für den Frieden einsetzen

6. Ich erläutere historische und geopolitische Zusammenhänge des Nahost-Konflikts

  • Ich stelle meinen Schüler*innen die historischen Zusammenhänge der Shoah dar und beleuchte u.a. die Rolle der christlichen Kirchen in der Zeit von 1933 bis 1945 und die Position des Großmuftis von Jerusalem.
  • Ich präsentiere muslimische Persönlichkeiten, die in der Zeit von 1933-1945 jüdische Menschen vor der Deportation bewahrt haben, wie z.B. Si Kaddour Benghabrit, Abdul Hussain Sardari oder Mohammad Helmy. (LINK 1 / LINK 2)
  • Ich thematisiere die geopolitischen Zusammenhänge hinter dem Nahost-Konflikt und gehe u.a. auf die historische Rolle des englischen Kolonialismus von Palästina und die Vertreibung von ca. 700.000 bis 750.000 Palästinenser*innen zwischen 1947 und 1949 im Zuge der Teilungspläne Palästinas durch die Vereinten Nationen ein (https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/israel-2023/520482/75-jahre-nach-der-nakba/). Viele dieser geflüchteten Palästinenser*innen leben in Jordanien, im Libanon und in Syrien, wo sie am gesellschaftlichen Rand leben. Inzwischen beträgt die Anzahl der palästinensischen
    Geflüchteten 3,47 Millionen. (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/892835/umfrage/registrierte-palaestinensische-fluechtlinge-nach-gebiet/)
  • Ich gehe auf den aktuellen Regional-Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien ein.

7. Ich entwickele Regeln des friedlichen Zusammenlebens für meine Schule

  • Ich habe nicht den Anspruch, den Nahost-Konflikt zu lösen. Vielmehr erarbeite ich mit meinen Schüler*innen gemeinsame Regeln des Miteinanders in unserer Klasse und in unserer Schule.
  • Ich arbeite gemeinsam mit meinen Schüler*innen daran, dass niemand Angst haben muss, in die Schule zu kommen.
  • Ich konzipiere Unterrichtsmaterialien mit meinen Kolleg*innen und meinen Schüler*innen, damit die Multiperspektivität des jüdischen und muslimischen Lebens in Deutschland sichtbar wird.

8. Ich nehme Antisemitismus und Antimuslimischer Rassismus ernst

  • Ich erkenne an, dass Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus in unserer Gesellschaft vorkommen und setze mich dafür ein, dass in unserer Schule beiden Ungleichheitsideologien gleichermaßen entgegengewirkt wird. Hierfür nutze ich u.a.
    die Erkenntnisse der Mitte Studie 2023 und den Bericht des Unabhängigen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit. Ich weiß, dass antimuslimischer Rassismus und Antisemitismus nach dem Prinzip „teile und herrsche“ funktionieren.
  • Ich spiele in meinem Unterricht Minderheiten (Juden/Jüd*innen und Muslim*innen) nicht gegeneinander aus.
  • Ich erkenne an, dass meine muslimischen Schüler*innen bzw. meine Schüler*innen, die als muslimisch wahrgenommen werden und die ggf. in meinem Unterricht Antisemitismus reproduzieren, von antimuslimischen Rassismus betroffen sind. Und ich erkenne an, dass meine jüdischen Schüler*innen bzw. meine Schüler*innen, die als jüdisch wahrgenommen werden und die ggf. in meinem Unterricht antimuslimischen Rassismus reproduzieren, von Antisemitismus betroffen sind.
  • Ich nutze antimuslimischen Rassismus nicht, um Antisemitismus zu bekämpfen. Und ich nutze Antisemitismus nicht, um antimuslimischen Rassismus zu bekämpfen.

9. Ich besitze eine realistische Sichtweise auf mein schulisches Handeln

  • Ich bin mir bewusst, dass Schüler*innen die demokratischen Werte unserer Gesellschaft vor allem in der Schule lernen.
  • Ich weiß, dass mein Unterricht für viele Schüler*innen der einzige Ort in ihrem Leben ist, in dem sie mit gegensätzlichen Meinungen konfrontiert werden.
  • Ich überschätze und unterschätze meine Rolle nicht.
  • Ich erkenne an, dass Lernen ein zirkulärer Prozess und kein linearer Prozess ist.
  • Ich weiß, dass Bildungsprozesse Zeit brauchen.
  • Ich erkenne an, dass meine Schüler*innen, die sich aktuell menschenfeindlich äußern, vielleicht in einigen Monaten oder Jahren dazulernen und sich von ihren menschenfeindlichen Positionen lösen.
  • Ich verstehe, dass Schule ist ein Schutzraum für Schüler*innen ist, in dem Schüler*innen Entwicklungsmöglichkeiten haben müssen.
  • Ich erkenne an, dass Schüler*innen sich ausprobieren, mich provozieren und sich an meinen politischen Positionen reiben, um ihren Platz in unserer Gesellschaft zu finden. Ich setze mich Tag für Tag für die Bildung von jungen Menschen ein und begegne deshalb jungen Menschen respektvoll, auch wenn Sie mir diesen Respekt zeitweise nicht entgegenbringen.
  • Ich akzeptiere, dass ich als Lehrkraft eine Vorbildrolle in unserer Gesellschaft einnehme. Ich akzeptiere, dass ich einige meiner Schüler*innen mit meinen Bildungsangeboten nicht erreichen kann.
  • Ich realisiere, dass sich einige meiner Schüler*innen trotz meiner Bemühungen weiterhin menschenfeindlich äußern werden.

10. Ich gehe wertschätzend mit mir um

  • Ich mache mein persönliches Glück nicht vom Lernerfolg meiner Schüler*innen abhängig.